Die Symbiose von Lean Construction, BIM und Integrierter Projektabwicklung in der Bauwirtschaft
Dr. Lisa Lenz & Alexandra Nestorowicz | 24. Juli 2025
Die Anforderungen an Bauprojekte steigen stetig, da die Branche sich dynamisch weiterentwickelt. Termintreue, Kostensicherheit, Transparenz und Nachhaltigkeit gewinnen zunehmend an Bedeutung, während die Komplexität der Projekte weiter zunimmt. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, braucht es integrierte Ansätze, die technologische, organisatorische und methodische Ebenen gleichermaßen berücksichtigen. Die Verbindung von Lean Construction, Building Information Modeling (BIM) und Integrierter Projektabwicklung (IPA) bietet hierfür eine leistungsfähige Grundlage. Ihre abgestimmte Anwendung ermöglicht eine kollaborative, transparente und effiziente Gestaltung des gesamten Projektablaufs. Dieser Beitrag zeigt auf, wie diese Methoden ineinandergreifen, welche Vorteile sich daraus ergeben und unter welchen Voraussetzungen ihr Potenzial nachhaltig genutzt werden kann.
Integrierte Projektabwicklung als Systemwechsel für mehr Kooperation und Zielorientierung

Die Integrierte Projektabwicklung ist international seit über zwei Jahrzehnten ein bewährtes Modell für die Umsetzung komplexer Bauvorhaben. In Deutschland wird sie seit dem Jahr 2018 in ersten Pilotprojekten angewendet. Wesentlich ist dabei der Perspektivwechsel: Im Vordergrund steht nicht mehr die Abgrenzung von Einzelleistungen, sondern die gemeinsame Verantwortung aller Beteiligten für den Projekterfolg. Ein zentraler Bestandteil ist der Mehrparteienvertrag, der Planung und Ausführung zusammenführt und sowohl Risiken als auch Chancen gemeinsam verteilt. Auf dieser Grundlage entsteht eine konsequent kollaborative Projektkultur.
Ziel ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Erreichen ambitionierter Projektziele wahrscheinlicher machen als bei herkömmlichen Modellen. Eine frühe Einbindung zentraler Akteure soll helfen, Potenziale zu identifizieren, Innovationen zu fördern und Risiken vorausschauend zu managen. Kommunikations- und Organisationsstrukturen werden gezielt so aufgebaut, dass ein gemeinsames Zielverständnis entsteht und Einzelinteressen in den Hintergrund treten. Vertrauen, Transparenz und kontinuierliches Lernen sind ebenso prägend wie klare Regeln für Entscheidungen und Vergütung.
Ein Bauprojekt gilt dann als echtes IPA-Vorhaben, wenn acht wesentliche Merkmale erfüllt sind, die sich in 21 konkrete Bestandteile untergliedern. Dazu zählen der Mehrparteienvertrag, ein systematisches Risikomanagement und ein gemeinsam getragener Wertekatalog. Nur wenn all diese Elemente umgesetzt werden, kann IPA seine Wirkung voll entfalten und zu einer höheren Qualität, Wirtschaftlichkeit sowie besseren Einhaltung von Zeit- und Regeltreue beitragen.
BIM als digitale Plattform für Transparenz und Zusammenarbeit

Building Information Modeling ist weit mehr als ein dreidimensionales Modell des Bauwerks. Es handelt sich um eine Methode zur Erzeugung, Verwaltung und Nutzung digitaler Bauwerksinformationen über den gesamten Lebenszyklus hinweg. Das Bauwerksmodell wird dabei nicht nur geometrisch abgebildet, sondern um funktionale, zeitliche und wirtschaftliche Daten erweitert. So entsteht ein digitaler Zwilling, der allen Projektbeteiligten als gemeinsame Informations- und Kommunikationsbasis dient.
Ein zentrales Element ist die Zusammenführung der einzelnen Fachmodelle in einem Gesamtmodell. Diese Form der kooperativen Modellbildung erfordert neue Formen der Zusammenarbeit, in denen Transparenz, Verantwortung und Abstimmung im Mittelpunkt stehen. Gleichzeitig hat BIM Einfluss auf die innerbetrieblichen Abläufe und kann neue Rollen im Unternehmen erforderlich machen. Klare Zielsetzungen und definierte Anwendungsfälle sind daher essenziell, sei es zur Optimierung von Planungsprozessen, zur Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit oder zur Steuerung von Terminen und Kosten.
In der Praxis erlaubt BIM die Integration weiterer Dimensionen. Neben der dreidimensionalen Geometrie können auch zeitliche Abläufe und Kosteninformationen eingebunden werden. Dadurch lassen sich Bauabläufe simulieren, Terminpläne überprüfen und Baukosten präzise kalkulieren. Elemente wie Trockenbauwände können nicht nur dargestellt, sondern auch mit Eigenschaften wie Schallschutz oder Feuchtraumeignung verknüpft werden. Der Informationsgehalt wird dadurch auf Bauteilebene exakt erfasst.
Neben der technischen Modellierung ist die organisatorische Umsetzung entscheidend. Klare Vorgaben zur Datenstruktur, zu Zuständigkeiten und zu Zeitpunkten der Datenerstellung sind notwendig, um das Modell als zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu nutzen. Wird BIM mit rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kombiniert, etwa durch einen Mehrparteienvertrag, lässt sich eine umfassende Steuerung auf Basis konsistenter Daten realisieren.
Lean Construction mit Fokus auf kontinuierlicher Verbesserung und Prozessqualität

Lean Construction ist keine einzelne Methode, sondern ein umfassender Denkansatz. Ziel ist es, alle Prozesse im Projektverlauf kontinuierlich zu verbessern, Verschwendung zu vermeiden und sämtliche Tätigkeiten am tatsächlichen Kundennutzen auszurichten. Im Gegensatz zu klassischen Steuerungsmodellen wird nicht auf Vorrat geplant, sondern bedarfsorientiert gearbeitet. Prozesse starten dann, wenn sie wirklich notwendig sind. Das steigert Effizienz und Flexibilität und reduziert Fehler.
Ein zentrales Werkzeug dieses Ansatzes ist das Last Planner System. Es ermöglicht eine strukturierte Planung und Steuerung der Bauausführung. Alle Projektbeteiligten, von Planenden bis zu den ausführenden Gewerken, werden frühzeitig einbezogen. In mehreren Schritten, von der Analyse des Gesamtprozesses über die Meilensteinplanung bis zur konkreten Wochenplanung, wird das Projekt immer weiter verfeinert. Störungen werden nicht nur erfasst, sondern auch systematisch analysiert und durch gezielte Maßnahmen behoben. So entsteht ein kontinuierlicher Lernprozess.
Die positiven Effekte zeigen sich deutlich in der Praxis. Eine höhere Planungszuverlässigkeit, weniger ungeplante Eingriffe, bessere Abstimmungen zwischen den Gewerken und eine deutlich entspanntere Baustellenatmosphäre sind häufig genannte Ergebnisse. Durch die enge Zusammenarbeit entsteht ein gemeinsames Verständnis für die Projektziele. Ergänzt durch eine offene Fehlerkultur nach dem Kaizen-Prinzip entsteht ein Umfeld, das Innovation und Qualität gleichermaßen fördert.
Die Symbiose von IPA, BIM und Lean als integrierter Erfolgsansatz

Die eigentliche Stärke dieser drei Methoden liegt in ihrer Kombination. IPA schafft die vertraglich-organisatorische Grundlage für eine kooperative Projektabwicklung. BIM stellt die technologische Infrastruktur zur Verfügung, um Transparenz und konsistente Datenflüsse zu ermöglichen. Lean bringt schließlich das methodische Werkzeug, um Prozesse effizient, lernorientiert und nutzerzentriert zu gestalten.
In einem solchen integrierten Modell greifen die einzelnen Elemente ineinander. Durch das digitale Bauwerksmodell lassen sich Fehlerquellen frühzeitig identifizieren, Abläufe optimieren und Entscheidungen fundiert treffen. Lean stellt sicher, dass die vorhandenen Daten auch in praktikable Prozessverbesserungen übersetzt werden. IPA wiederum sorgt dafür, dass alle Beteiligten in gemeinsamer Verantwortung agieren und Risiken sowie Ziele geteilt werden.
Diese Verbindung führt zu einer deutlichen Steigerung von Qualität und Effizienz. Gleichzeitig entsteht eine solide Grundlage für Nachhaltigkeit und Innovation. Kreislaufwirtschaftliche Ansätze lassen sich durch strukturierte Datenhaltung in BIM-Modellen besser umsetzen. Neue Technologien wie 3D-Druck oder modulare Bauweisen können gezielter integriert werden. Auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz und automatisierten Analysen wird so vorbereitet.
Der Schlüssel zur Umsetzung integrativer Bauprojekte

Damit IPA, BIM und Lean ihr volles Potenzial entfalten können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Entscheidend sind passende organisatorische, technische, rechtliche und kulturelle Rahmenbedingungen. Denn Methoden allein bewirken wenig, wenn Strukturen, Menschen und Prozesse nicht darauf ausgerichtet sind.
Aus organisatorischer Sicht hat sich ein dreistufiges Projektsetup bewährt. Es umfasst ein Senior Management Team, ein Projektmanagement-Team und ein Projektimplementierungsteam. Diese Struktur sorgt für klare Zuständigkeiten, zügige Entscheidungen und eine reibungslose Koordination, insbesondere bei der Einführung neuer Methoden und digitaler Werkzeuge.
Auf technischer Ebene kommt es auf durchgängige, qualitätsgesicherte Datenmodelle an. Notwendig sind dafür geeignete Plattformen, strukturierte Datenformate und abgestimmte Schnittstellen. Auch der Umgang mit Datensicherheit, Zugriffsrechten und Versionierung muss geklärt sein, damit alle Beteiligten effizient zusammenarbeiten können.
Rechtlich ist der Mehrparteienvertrag ein zentrales Element. Er definiert nicht nur Rollen, Ziele und Leistungen, sondern regelt auch den Umgang mit Risiken und Konflikten. Die Einführung eines solchen Vertragswerks verlangt Vertrauen, juristische Kompetenz und ein gemeinsames Zielverständnis. Wird dies konsequent umgesetzt, entsteht ein verlässlicher Rahmen für partnerschaftliches Arbeiten.
Besonders entscheidend ist der kulturelle Wandel. Die Einführung integrativer Methoden bedeutet, alte Denkmuster zu hinterfragen und neue Formen der Zusammenarbeit zuzulassen. Offenheit, Verantwortungsbewusstsein und Bereitschaft zum Lernen sind zentrale Erfolgsfaktoren. Um dies zu fördern, braucht es gezielte Schulungen, partizipative Veränderungsprozesse und eine transparente Kommunikation der Vorteile.
Ein anschauliches Beispiel liefert das Forschungsprojekt IPA digital. In einem interdisziplinären Team werden dort digitale Werkzeuge und Methoden für die Integrierte Projektabwicklung entwickelt. Das Projekt zeigt, dass technologische, organisatorische und kulturelle Voraussetzungen gemeinsam gedacht und umgesetzt werden müssen, damit echte Transformation gelingen kann.
Fazit
Die Kombination von Integrierter Projektabwicklung, Building Information Modeling und Lean Construction bietet enormes Potenzial für die Bauwirtschaft. Sie steigert nicht nur die Qualität und Effizienz von Projekten, sondern verändert grundlegend, wie Bauvorhaben geplant, gesteuert und realisiert werden. Wer diese drei Konzepte nicht isoliert betrachtet, sondern als integriertes System versteht, legt den Grundstein für zukunftsfähige, resiliente und nachhaltige Bauprojekte.
Der Weg zu einer digitalisierten, kollaborativen Bauwirtschaft ist kein Ziel, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Mit der richtigen Haltung, den passenden Werkzeugen und einer klaren gemeinsamen Ausrichtung lassen sich selbst komplexe Herausforderungen erfolgreich bewältigen.