Was ist BIM – Ein persönlicher Erfahrungsbericht aus dem Baumanagement
von Julia Mertl | 01. Juli 2025
Wenn man jahrelang im Controlling eines großen Generalunternehmers arbeitet, hat man einen guten Überblick über Bauprojekte – zumindest aus Sicht von Zahlen, Budgets, Terminen und Risiken. Ich habe viel gesehen: Chaotische Projektstarts, irrsinnige Terminüberschreitungen, überraschende Nachträge, unklare Verantwortlichkeiten, schlecht dokumentierte Baustellenrealität. Was ich allerdings lange nicht gesehen habe: die digitale Revolution am Bau, und ganz konkret: Building Information Modeling – kurz: BIM.
Zwar kannte ich den Begriff, aber BIM war für mich lange nicht mehr als eine leere Worthülse, die vor allem von Architekten, IT-affinen und visionären Ingenieuren oder Start-ups benutzt wurde. In den Köpfen vieler Kolleg:innen – auch in meinem – galt es als technisches Nice-to-have, nicht als ernstzunehmende Methode für die tägliche Projektarbeit. Ich dachte: „Das bringt uns im echten Projektalltag kein Stück weiter, vor allem nicht wenn es um die kaufmännischen Belange eines Projektes geht.“
Was ist BIM eigentlich?

Fangen wir zunächst ganz von vorne an: BIM steht für Building Information Modeling. Der Begriff lässt sich auf Deutsch mit „Bauwerksdatenmodellierung“ übersetzen, was allerdings kaum erfasst, wozu BIM wirklich in der Lage ist. Denn BIM ist kein einzelnes Software-Tool, keine reine 3D-Zeichnung und auch kein einfaches Visualisierungswerkzeug. Es ist ein digitaler, integrativer Prozess, bei dem alle relevanten Informationen eines Bauwerks zentral modelliert, erfasst, vernetzt und über den gesamten Lebenszyklus hinweg genutzt werden – von der Planung über den Bau bis zum Betrieb und zum Rückbau.
Statt isolierter Pläne, Excel-Tabellen, E-Mail-Ordner und mündlicher Absprachen gibt es im BIM-Prozess ein zentrales, digitales Modell, das alle Beteiligten als gemeinsame Datenquelle nutzen. Man spricht auch vom Single Source of Truth – eine zentrale Wahrheit über das Projekt, die sich alle Beteiligten teilen.
Dieses Modell enthält also nicht nur Geometrie (3D), sondern auch Informationen wie Materialien, Kosten, Zeitpläne, Nachhaltigkeitsdaten, Herstellerangaben und vieles mehr. So entsteht eine digitale Realität des Bauwerks.
Meine berufliche Heimat war lange Zeit das Controlling. Dort zählen nur und zwar ausschließlich harte Fakten, kein Bling-Bling. Natürlich hörte ich öfter, dass BIM in der Planung oder auf der Baustelle eingesetzt wird. Aber meine Annahme war: „Das betrifft uns nicht. Die sollen mal machen. Für mich gibt es daraus keinen Mehrwert“
Rückblickend erkenne ich, wie sehr ich – und viele andere – BIM nur als Werkzeug einzelner Fachbereiche verstanden haben. Was mir fehlte, was das Verständnis: BIM ist ein übergreifender Managementansatz. Es geht nicht nur um Software, sondern neues Denken: vernetzt, kollaborativ, vorrauschauend.
Was hat mich zum Umdenken gebracht?

Es war kein einzelner Moment, sondern eine Entwicklung: Ich habe gesehen, wie viele Fehler in Projekten passieren und dass diese immer wieder dieselben Ursachen haben: schlechte Kommunikation, veraltete Informationen, Medienbrüche, fehlende Transparenz.
Ich habe mich zunehmend gefragt: Warum laufen viele Baustellen eigentlich immer gleich chaotisch?
Die Antwort: Weil wir weiterarbeiten wie vor 20 Jahren. Mit Ordnern, Plänen, Excel-Listen und dem Spruch „Das haben wir schon immer so gemacht.“
Erst durch einen Stellenwechsel und das Eintauchen in eine für mich völlig neue Welt des „Arbeitens am Bau“ habe ich begonnen zu verstehen, welches Potenzial BIM hat, um diese Muster zu durchbrechen. Ich habe erkannt: BIM ist nicht nur ein Planungsthema. Es ist ein Instrument, um Effizienz, Qualität, Transparenz und Zusammenarbeit auf ein neues Level zu heben und hat das Potenzial eingefahrene Muster zu durchbrechen. Genau das, was moderne Bauprojekte heute brauchen.
BIM und Lean – zwei starke Ansätze, ein gemeinsames Ziel

Besonders spannend wurde BIM für mich, als ich begann, es mit Lean Construction zu verknüpfen. Lean Construction ist im Bauwesen kein neues Konzept, es verfolgt das Ziel, Verschwendung zu minimieren und Abläufe zu optimieren – eine Philosophie, die hervorragend zu BIM passt.
Denn BIM liefert die digitale Grundlage, um Lean auf der Baustelle wirklich umzusetzen: Mit präzisen Abläufen, realistischen Simulationen, klaren Zuständigkeiten und der Möglichkeit, den Bauablauf visuell zu planen, zu analysieren und zu steuern. Durch die Kombination von BIM mit Zeitdaten können Bauabläufe stichtagsgenau geplant, visualisiert und optimiert werden.
Ein Beispiel: Durch die Verknüpfung von BIM mit dem Zeitplan (4D) lässt sich genau simulieren, wie ein Bauablauf Tag für Tag aussieht. Konflikte zwischen Gewerken oder Engpässe im Bauprozess werden frühzeitig sichtbar – und können angepasst werden, bevor sie auf der Baustelle teuer und stressig werden.
BIM im Überblick in den verschiedenen Rollen des Bauwesens

Heute bin ich überzeugt: BIM betrifft alle im Bauwesen. Nicht irgendwann. Jetzt.
- In der Kalkulation: Mengen und Bauteile können genauer erfasst und transparent bewertet werden. Das reduziert Ungenauigkeiten, erleichtert die Nachvollziehbarkeit von Preisansätzen und ermöglicht eine realistischere Einschätzung von Kostenrisiken – bereits in der frühen Projektphase.
- In der Planung: Fehler lass sich früh erkennen und Fachdisziplinen besser koordinieren, da alle Beteiligten mir einem zentralen, synchronisierten Modell arbeiten. Kollisionen zwischen Gewerken werden im Vorfeld erkannt und können proaktiv gelöst werden, bevor sie in der Ausführung zu teureren Problemen führen. So wird aus paralleler Einzelarbeit ein integrativer Prozess.
- In der Bauausführung: Projekte laufen strukturierter, mir weniger Nachträgen und klarem Ablauf ab. Durch die Verknüpfung im von zeit und Modell können Bauabläufe realitätsnah simuliert, Engpässe erkannt und Verantwortlichkeiten präzise zugewiesen werden, was die Umsetzung auf der Baustelle spürbar effizienter und reibungsloser macht.
- Im Controlling: Entscheidungen basieren auf aktuellen, konsistenten Daten – auch über den Bau hinaus. Abweichungen von Budgets und Zeitplänen können frühzeitig erkannt, Ursachen analysiert und Gegenmaßnahmen zielgerichtet eingeleitet werden. Auch im Betrieb liefert BIM die Grundlage für ein transparentes und nachhaltiges Gebäudemanagement.
- In der Kommunikation mit Bauherr:Innen: Digitale Modelle machen komplexe Sachverhalte visuell verständlich und nachvollziehbar. So entsteht eine gemeinsame Entschiedungsgrundlage, Missverständnisse werden reduziert und Vertrauen gestärkt, da alle dasselbe digitale Abbild des Projekts sehen, interpretieren und diskutieren können.
Kurz: BIM ist keine Spezialdisziplin, sondern als ganzheitlicher Ansatz für effiziente, wirtschaftlichere und nachhaltigere Projektplanung.
Die Hürden – und wie man sie überwindet

Natürlich ist BIM kein Wundermittel. Der Einstieg ist herausfordernd. Es braucht Zeit, Schulungen, neue Rollen, ein neues Verständnis für Datenmanagement und manchmal auch einen Kulturwandel innerhalb des Unternehmens.
Doch genau darin liegt auch die Chance: Unternehmen, die früh und ernsthaft in BIM investieren, sichern sich einen Wettbewerbsvorteil – weil sie Projekte schneller, verlässlicher und wirtschaftlicher abwickeln können.
Die wichtigste Erkenntnis für mich war: Es geht nicht nur um die Einführung von der BIM-Technik, sondern auch Verständnis über die BIM-Methode und ihre Vorteile zu schaffen. Die wichtigsten Fragen sind oft nicht: „Welche Software sollen wir nutzen?“, sondern:
- „Wie wollen wir zusammenarbeiten?“
- „Welche Informationen brauchen wir wann – und von wem?“
- Wie schaffen wir eine gemeinsame Datenbasis auf die sich alle verlassen können?“
Fazit: Digitales Bauen beginnt mit dem ersten Schritt
BIM ist für mich heute nicht mehr nur ein Begriff. Es ist ein Werkzeug, eine Denkweise und eine echte Chance für die Bauwelt.
Ich habe gelernt, dass der digitale Wandel nicht an den Baustellen vorbeigeht – er hat sie längst erreicht. Nur merken es viele noch nicht. Mein Weg zu BIM war nicht geradlinig und sicher auch ein bisschen zufällig, aber er hat mir so viele, neue, spannende Perspektiven eröffnet. Und ich wünsche mir, dass mehr Menschen in der Branche den Mut haben, sich auf diesen Weg einzulassen.
Nicht weil es „modern“ ist. Sondern weil es besseres Bauen ermöglicht.
Falls du dich bisher auch gefragt hast, ob BIM etwas für dich ist, dann lautet meine Antwort: Ja, unbedingt. Und zwar egal, in welchem Bereich du tätig bist.
Sprich mit Kolleg:innen, besuche eine BIM-Veranstaltung, lies Praxisberichte oder probiere ein kleines Pilotprojekt aus. Es geht nicht darum, alles auf einmal zu können. Es geht darum, anzufangen.
Denn wer heute mit BIM beginnt, baut morgen besser.
Falls Sie sich bisher auch gefragt haben, ob BIM etwas für Sie ist, dann lautet meine Antwort: Ja, unbedingt. Und zwar unabhängig davon, in welchem Bereich Sie tätig sind. Sprechen Sie mit Kolleginnen und Kollegen, besuchen Sie eine Veranstaltung oder lesen Sie sich Praxisberichte durch.
Entdecken Sie unsere Referenzprojekte und erfahren Sie, wie BIM konkrete Mehrwerte schafft – für alle Entscheidungsträger, die Bauprojekte digital, nachhaltig und effizient realisieren möchten. Sie sind bereit den ersten Schritt zu wagen?